vom Loslassen
… lehrlinge sind wir, alle!
wir üben uns ein in der kunst des loslassens.
immer wieder ist es dieselbe geste:
die hände öffnen,
was darin ist, ablegen, verschenken, loslassen, fallen lassen.
- genau so auch das herz öffnen:
platz machen - ein ständiges, beständiges aufräumen.
jedes mal sind sie dabei, diese drei:
der schmerz, die trauer, die furcht.
sich davor fürchten,
sie würden leer bleiben, die hände, nie wieder sich füllen.
die furcht, das herz bliebe stumm, unberührt, hart wie ein stein.
obwohl wir es doch besser wissen könnten.
obwohl das leben uns stets die hände neu füllt!
* * *
… nichts gehört uns - und doch sind wir reich …
- Olaf Schrage, Februar 2017 -
* * *
Das Schauen gleitet hin & her zwischen Träumen & Wachen
Langsam erwachen
auftauchen aus dem Fluss der Bilder
noch ein wenig will ich darin schwimmen
mich treiben lassen
und gleichzeitig spüre ich:
ich erhasche sie nicht mehr, diese Bilder
kann sie nicht fest halten
sie entgleiten mir
verändern sich beständig
War da nicht eben noch jenes Zimmer?
Das mit dem großen Schrank?
Im unteren Schubfach die Tüte - darin
die unglaublich gut schmeckende Süßigkeit.
Mit wem habe ich die noch immer geteilt?
Alles fließt, fließt dahin
auf einem winzigen Boot
auf einer Barke
auf dem Nachen des Schlummers
zwischen Träumen und Wachen
Mein Blick ist nach innen
gerichtet
in andre Welten
ein „Schauen“, ein Fährten-lesen
Dann irgendwann gebe ich‘s auf
ergebe mich dem Tag
der irgendwo draußen auf mich wartet
Ist der wirklicher
als alles, was ich so farbig
gerade noch vor mir sah?
Wachen oder träumen
was auch immer ...
ist mein Heute
Olaf Schrage, Mai 2014
* * *
Das Leben
Kommen und Gehen,
Tun und Lassen,
Glücklich sein und unglücklich,
Festhalten und Loslassen,
Lieben und Hassen,
und alles, was dazwischen ist,
empfinden und spüren,
wie es sich ändert:
das Leben, dieses Leben, mein Leben -
wie es von einer Sekunde auf die andere dahinfließt
manchmal träge,
dann wie ein reißender Fluss,
dessen Ufer so weit entfernt voneinander sind,
dass es Brücken bräuchte, um hinüberzugelangen
und zu schauen, wie es dort ist
-
Doch währenddessen läuft das Leben weiter
und der Schmetterling, der eben noch
in meiner Nähe
die Blume küsste,
ist fort
im Hauch eines Windzugs.
Olaf Schrage, 2. Mai 2010
* * *
Tagtraum
blaues Rauschen
im Weiß der Wolken
silbrig schimmernd
noch der Mond
weit in der Ferne
ein Segel
im Rinnstein
das Papierboot
des Jungen
der du einmal warst
du siehst ihn genau
während er
die leere Straße
hinunterläuft
vor sich
die Sonne
sein Rücken
mit den schmalen Schultern
grüßt dich
und winkt dir zu
als wolle er sagen:
versuch's doch mal
Olaf Schrage, Januar 2007
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